Fragen zur GesundheitspraxisBfG für Sexualkultur an Inari H. Hanel
Liebe Inari, Du bist als Gesundheitspraktikerin für weibliche Sexualität und Frauenmassage tätig. Wie sieht Deine Tätigkeit im praktischen Tun aus?
Zu mir kommen Frauen mit den unterschiedlichsten Fragenstellungen, z.B.
„Ich habe schon so viel über den G-Punkt gelesen, aber bei mir spüre ich gar nichts. Bin ich normal?“ „Ich möchte gerne mein Lustempfinden und meine Orgasmusfähigkeit steigern. Wie kann ich das angehen?“
„Mein Partner hält mich für frigide – bin ich das wirklich?“
„Nach der Geburt meines Kindes fühlt sich meine Vagina nicht mehr so an wie vorher. Was kann ich tun?“
Ein Schwerpunkt meines Wirkens ist ausführliche Information und Aufklärung, sowohl im Einzelgespräch als auch in Vorträgen und Workshops. Des Weiteren arbeite ich mit Methoden der körperorientierten Selbsterfahrung und mit der Frauenmassage. Das heißt, ich berühre auch den Intimbereich der Frau, und ich kann sie ganz körpernah begleiten und unterstützen. Es handelt sich dabei um keine sexuelle Interaktion. Somit kann sich die empfangende Frau ganz auf sich selbst konzentrieren und ins eigene Wahrnehmen und Spüren gehen.
Das ist für mich eine sehr erfüllende Tätigkeit, unter anderem, weil sie mich auf ganz unterschiedlichen Ebenen fordert.
Hast Du eine eigene Praxis?
Ich habe keine Praxis, arbeite zuhause in meinem Arbeitszimmer. Mein Wirken beschreibe ich als freiberufliche Tätigkeit im gesundheitspädagogischen Bereich.
Wenn Mann oder Frau jemanden professionell darin begleitet, sexuelle Erfahrungen und auch sexuelle Höhepunkte zu erleben, so gerät sie und gerät er mitunter in schwierige Rollendefinitionen. Wie gehst Du mit diesem Thema um?
Das ist ein ganz wichtiges Thema für das Berufsbild Gesundheitspraktiker/In für Sexualkultur. Die Schule, aus der ich komme legt großen Wert darauf, dass alle Tools und Methoden selbst erfahren werden, um abschätzen zu können, wie intensiv und essentiell die einzelnen Bausteine sein können. Gleichzeitig braucht es Erfahrung und Reflektion mit den Themen „Wie gehe ich damit um, wenn Erlebnisse von Lust oder auch Prozesse von schmerzlicher Erfahrung mit meinen biographischen Erfahrungen in Resonanz gehen? Es braucht Erfahrung, Empathie und gleichzeitig die nötige Distanzierung. Hier ist ehrliche Reflektion und konstruktives Feedback von außen nötig. Ich denke mal, gerade diese Punkte zeichnen eine professionelle Ausbildung und Fortbildung aus.
GesundheitspraktikerInnen und TantramasseurInnen – beide arbeiten im Bereich von Ganzkörper- und Intimmassage. Wo siehst Du den Unterschied?
Der Unterschied liegt für mich in der Haltung der/des Gebenden: Ist die tantrische Massage eine ganzheitlich sexuelle Dienstleistung, die von Gästen gebucht wurde, dann ist die/der Gebende eindeutig besser im Tantramassage Verband aufgehoben. Dort gibt es Mitglieder, die speziell die rechtliche Situation in den einzelnen Bundesländern kennen und entsprechende Hilfestellung für ihre Mitglieder geben, die kompetente Öffentlichkeitsarbeit betreiben und für eine qualitativ hochwertige und zertifizierte Ausbildung der Masseurinnen und Masseure eintreten.
Wenn ich als GesundheitspraktikerIn mit der Intimmassage arbeite, dann ist meine Haltung die einer Begleiterin für die Menschen, die im Themenbereich von Sexualität Unterstützung suchen, um die ihnen innewohnenden Antworten zu finden. Und ich biete zusätzliche Information und Aufklärung. Ich bin somit im gesundheitspädagogischen Bereich tätig.
GesundheitspraktikerIn und SexualtherapeutIn – wie erklärst Du den Unterschied?
Als GesundheitspraktikerIn habe ich nicht den Anspruch therapeutisch tätig zu sein. Ich behandle keine Störungen, Krankheiten oder Leiden. Ich unterstütze und begleite Menschen, damit sie mehr Wohlbefinden, Vitalität und Sinnhaftigkeit in ihrem Leben erfahren können.
Als Gesundheitspraktiker kenne ich meine Grenzen und weiß, wann ich Ratsuchende an Therapeuten weiterempfehle, z. B. bei medizinischen oder psychologischen Themen.
Du bist als Gesundheitspraktikerin für Sexualität für die Frauen zuständig. Und was ist mit den Männern?
Es gibt auch Gesundheitspraktikerinnen, die mit Männern und mit Paaren arbeiten. Und es kommen zunehmend Männer in den Zertifizierungskurs der DGAM. Das freut mich ganz besonders. Das bedeutet, dass in naher Zukunft auch Männer in diesem Berufsfeld zu finden sein werden, die Männer mit ihren ganz spezifischen Themen begleiten und unterstützen.
Welche weiteren Tätigkeitschwerpunkte kannst Du Dir vorstellen im Berufsfeld Gesundheitspraktiker/in für Sexualkultur?
Ich bin der Meinung, dass es hier noch sehr viel zu tun gibt:
Zum Beispiel die Arbeit mit Jugendlichen an Schulen. Sowohl Mädchen als auch Jungen brauchen gute Anregungen und Anlaufstellen für ihre Fragen. Die Eltern sind oftmals keine geeigneten Ansprechpartner. Und es braucht Vorbilder. Sowohl Frauen als auch Männer. Daran mangelt es in unserer Kultur ganz besonders.
Ein großer Schwerpunkt kann auch die Arbeit mit Paaren sein, die mehr Freude, Abwechslung und mehr sinnlichen Genuss in ihr Sexualleben bringen wollen.
Ein weiteres großes Tätigkeitsfeld kann die Begleitung von Frauen in der Schwangerschaft und nach Geburten sein.
Und auch in der Zeit des Wandels während der Wechseljahre können Gesundheitspraktikerinnen f. Sexualkultur wertvolle Orientierungshilfe leisten.